„Esoterik für Hundehalter“, werden Sie sich möglicherweise mit gerunzelter Stirn fragen, „braucht es denn das jetzt auch noch?“. Und meine Antwort lautet natürlich „Nein, das bräuchte es eigentlich überwiegend nicht. Aber es wimmelt davon.“
Und weil es davon wimmelt, muß man drüber reden. Und schreiben.
Esoterik ist ein vieldeutiger Begriff, der aber in aller Regel für Geheimlehren oder okkultes Wissen verwendet wird. Ursprünglich bezieht er sich auf Wissen, das nur einem ausgewählten Personenkreis zugänglich ist. Ich bezeichne im Folgenden jedes Verfahren oder Produkt, das nicht evidenzbasiert ist und nicht mit wissenschaftlichen Verfahren überprüfbar ist, als Esoterik. Und davon gibt es jede Menge, und zwar sowohl nützliche Esoterik und unnütze Esoterik.
Nützliche Esoterik
Wir leben in einer Welt, der es vollkommen gleichgültig ist, ob wir sie verstehen können oder nicht. Und das einzige Werkzeug, das wir zum Verständnis haben, ist die Sprache – die wiederum entstanden ist, um die Affen auf dem Nachbarbaum zu beleidigen. Nicht die idealen Bedingungen also, um sich über mikromotorische Bewegungen oder hormonelle Schwankungen im limbischen System zu unterhalten. Hier können Bilder aus der Esoterik sehr nützlich sein, weil schwer handhabbare Zusammenhänge durch sie leicht verständlich und benutzbar gemacht werden. Sie sind und bleiben natürlich gelogen, aber auf dem gleichen Niveau wie „Die Sonne geht auf“, „Die Kälte drückt rein“ oder „Elektronenorbitale“ – Lügen für Erwachsene, die den Umgang mit äußerst komplexen Sachverhalten erleichtern.
Aber vielleicht gebe ich Ihnen lieber ein konkretes Beispiel aus meinem Alltag:
Wie viel Angst ein ängstlicher Hund vor einem Menschen hat, hängt oft vom Abstand zwischen Mensch und Hund ab. Und davon, wie sehr der Mensch sich aufrichtet, ob er sich frontal auf den Hund zubewegt, wie ausholend seine Bewegungen sind und wie schnell er sich bewegt. (Und von einer ganzen Reihe weiteren Faktoren natürlich auch)
Wenn ich mit einem ängstlichen Hund zu tun habe, stelle ich mir vor, die Quelle (oder Antenne) eines Energiefeldes zu sein, das Druck auf den Hund ausübt. Logisch – je größer oder breiter die Antenne ist, desto stärker das Energiefeld. Und wenn ich sehe, daß der Hund einfriert oder aggressiv droht, löse ich den Druck wieder, indem ich „das Energiefeld schwächer mache“, also mich kleiner mache, seitlich wegdrehe oder nach hinten ausweiche. Das klappt ganz prima, obwohl es dieses Energiefeld natürlich nicht gibt. (Und trotzdem kann ich es manchmal, wenn ich mich sehr konzentriere, sogar spüren. Ähnlich scheint es wohl Wünschelrutengängern zu gehen, an deren Methode ja nachweislich auch nichts dran ist.)
Ähnlich verhält es sich mit dem „Tellington Touch“. Natürlich finden Hunde es i.d.R. gut, wenn sie mit langsamen, gleichmäßigen und unaufgeregten Bewegungen gestreichelt werden. Das hilft dabei, runterzukommen und sich zu beruhigen. Aber nach meiner Erfahrung ist es den Hunden völlig egal, ob dieses Streicheln nun in Kreisen passiert und ob die Stellen oder Bewegungen benutzt werden, die sich Linda Tellington-Jones ausgedacht hat.
Unnütze Esoterik
Ein hilfreiches Kriterium, um zu beurteilen, was für eine Art Esoterik man vor sich hat, ist die einfache Frage „Macht sich jemand auf meine Kosten die Taschen voll?“ Und damit meine ich nicht den Kaufpreis eines Buches, auch wenn der gelegentlich überzogen wirken mag. Eher geht es mir um Seminare für hunderte von Euro oder Einzelstunden, die in der Summe dann ebenfalls erhebliche Beträge ergeben. Aber Abzocke geht auch ganz billig:
Homöopathie | Es gibt bis heute nicht eine handwerklich saubere, belastbare Studie, die die Wirksamkeit homöopathischer Mittel über den Placebo-Effekt hinaus belegt. Damit sind homöopathische Mittel die wohl teuerste Art, destilliertes Wasser oder Traubenzucker zu kaufen. |
Akupunktur | Auch hier gibt es keine Wirksamkeitsnachweise über den Placebo-Effekt hinaus. GWUP-Artikel Akupunktur |
Kristalle | Hier gibt es eine bunte Vielfalt von unglaublichem Unsinn. Ich greife nur den Bernsteinanhänger als Zeckenschutz für den Hund heraus, der in keinem vernünftigen Testsetting jemals irgend eine Wirksamkeit besaß. |
Tierkommunikatoren | Das sind Leute, die behaupten, mit Tieren auf telepathischem Weg kommunizieren zu können. Die ganz Dreisten behaupten das sogar für bereits verstorbene Tiere – macht aber eigentlich eh keinen Unterschied, es funktioniert ja in beiden Fällen nicht. |
Rudelstellungen | Das ist ein auf so ärgerliche Weise dummes Konzept, das Wikipedia einen ausführlichen Artikel dazu hat. Wikipedia-Artikel vererbte Rudelstellung |
Es ist schlimm, wenn Menschen mit irgendwelchem Schmu das Geld aus der Tasche gezogen wird. Noch viel schlimmer aber ist es, wenn mit dem Schmerz oder der Sorge der Menschen Reibach gemacht wird.