Realitätscheck

Hunde als Gefahr?

Als Hundehalter trifft es mich sehr, das in der Öffentlichkeit so massiv gegen Hunde Front gemacht wird. Aber ich verstehe natürlich auch, daß es die Menschen erschüttert, wenn Menschen getötet werden. Und ich begreife, daß die Rufe nach Leinen- oder Maulkorbpflicht oder nach Sachkundenachweisen immer lauter werden.

Trotzdem sollte man in einem Rechtstaat erwarten können, daß die Entscheidungsträger Risiken abschätzen und bewerten können und ihre Reaktionen auf Gefahren angemessen sind. Ich habe mir daher einmal das Vergnügen gegönnt, verschiedene Lebensgefahren miteinander zu vergleichen.

 

21 Tote durchschnittlich pro Jahr durch Unfälle mit Pferden, kein Pferdeführerschein geplant
183 Kindstötungen im Jahr 2010, kein Elternführerschein geplant
1.237 Drogentote im Jahr 2010, es werden keine zusätzlichen Mittel verfügbar gemacht.
3.657 Verkehrstote im Jahr 2010
7.500 Todesfälle durch Infektion mit Krankenhauskeimen pro Jahr, möglicherweise sogar doppelt so viele. Diese Menschen sterben, weil einfachste Hygieneregeln nicht befolgt werden.
10.000 Todesfälle in Folge falscher medizinischer Behandlung, möglicherweise auch das doppelte. Dennoch werden nicht so viele Ärzte eingestellt, das der einzelne auch ausgeschlafen zur Arbeit kommen kann.
10.000 Selbsttötungen aufgrund von Depressionen. Dennoch gibt es sehr wenig Unterstützung in Bezug auf Therapieangebote, Gesprächsangebote, Selbsthilfegruppen. Und es gibt natürlichzu wenig Klinikplätze.
73.000 Todesfälle durch Alkoholkonsum. Dennoch gibt es kein rigoroses Verbot für Werbung, der Verkauf wird nicht auf spezielle Geschäfte beschränkt.
110.000 Todesfälle durch Tabakkonsum. Wie beim Alkohol darf weiter Werbung gemacht werden, der Verkauf wird nicht auf spezielle Geschäfte beschränkt. Kinder kriegen an jeder Straßenecke Zigaretten aus den Automaten.

Bei all diesen real existierenden Bedrohungen geschieht so gut wie nichts. Es wurde jetzt wohl eine Prämie ausgelobt für Ärzte, die sich die Hände waschen, aber sonst … nada. Wie unfaßbar viele Menschen müssen jedes Jahr durch Hundebisse sterben, wenn ständig nach dem Hundeführerschein gebrüllt wird, wenn es Leinenzwang in Städten gibt, wenn es spezielle Gefahrhundelisten mit unfaßbaren und teilweise tierschutzwidrigen Auflagen und Repressionen gibt?

Realitätsabgleich

Ich will es Ihnen sagen: Von 1999 bis 2009 starben pro Jahr im Durchschnitt 3,6 Menschen durch „Gebissen- oder Gestoßenwerden vom Hund“. Bin ich eigentlich der einzige, dem das ein bisschen unverhältnismäßig vorkommt? Natürlich ist jeder Tote einer zuviel, und ein Hundeführerschein wäre prinzipiell eine gute Idee, weil er auch vielen Hunden zugute käme (wenn er nicht von Vollpfosten konzipiert wird, was aber zu befürchten ist) – aber ein Elternführerschein wäre gut 50mal dringender.

Nun weiss ich natürlich, was einige von Ihnen jetzt erwidern werden: Da werden viel mehr Menschen verletzt als getötet. Und das stimmt natürlich. Das stimmt allerdings auch für alle anderen Zahlen in der obigen Tabelle. Das eindrucksvollste Beispiel dafür ist „Mit 333.800 Behandlungsfällen ist die psychische oder verhaltensbezogene Störung durch Alkohol die dritthäufigste Einzeldiagnose aller Hauptdiagnosen der Krankenhausstatistik des Jahres 2008.“ aus der Pressemitteilung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V.

Und weil niemand irgendwelche Zahlen einfach so glauben sollte, hier die Quellen für diese Zahlen:

WDR Sendungsbeitrag zum Thema Hundebisse (PDF-Datei, Seite 6)

Artikel bei Spiegel Online zum Thema Kindstötungen

Die Zahl der Drogentoten 2010 aus dem Bericht der Bundesdrogenbeauftragten

Die Zahl der Verkehrstoten 2010 aus einem Beitrag der Autobild

Bericht über ärztliche Behandlungsfehler bei 3Sat

Ein Artikel in der Augsburger Allgemeinen zum Thema Depression

Bericht über Todesfälle durch Krankenhauskeime auf RP-Online

Alkohol/Tabak aus der Pressemitteilung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (PDF, Seite 2)

Über Martin Wunsch

Bibliophiler Hundenarr, Musiklieberhaber und Querdenker
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